Die allrussische wissenschaftliche Konferenz mit ausländischer Beteiligung
"Deutsche in Russland: ein Blick aus der Provinz"
(27.Oktober 2010, Kirov, Die Wjatkaer staatliche Universität für Geisteswissenschaften)
Am 27.Oktober 2010 wurde an der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften (Kirov) die allrussische wissenschaftliche Konferenz mit ausländischer Beteiligung "Deutsche in Russland: ein Blick aus der Provinz" durchgeführt, die von der Fakultät für Geschichte und der Fakultät für Linguistik vorbereitet worden war. Die Konferenz führte man im Rahmen gemeinsamer Veranstaltungen der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften und des Permer wissenschaftlichen Zentrums der Ural-Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften durch.
Hauptziel der Konferenz war die Vereinigung von Historikern, Linguisten, Kulturologen, Mitarbeitern von Archiven, deren wissenschaftliche Interessen im Bereich der Erforschung der deutschen ethnischen Minderheit konzentriert sind, so wie der Förderung der wissenschaftlichen Diskussion zu dieser Problematik. Diese Konferenz ist der Stärkung von Kontakten zwischen deutschen und russischen Geschichts-, Kultur- und Sprachwissenschaftlern der deutschen Kultur in Russland gewidmet. Für die Teilnahme am Verlauf der Konferenz wurden sowohl führende Fachkräfte als auch junge, erst beginnende Wissenschaftler, Doktoranden, Studenten eingeladen. Die Arbeit der Konferenz war für einen Tag berechnet, darum war die Anzahl der Beteiligten begrenzt. Ungeachtet dessen nahmen über 40 Wissenschaftler aus verschiedenen Städten Russlands (Kirov, Krasnojarsk, Orenburg, Tomsk, Glasov) wie auch aus Deutschland und Finnland aktiv an der Arbeit der Plenar- und Sektionssitzungen der Konferenz teil.
Mit einem Grußwort wandten sich der Prorektor für wissenschaftliche Arbeit der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften Prof. Dr. Ju.A.Balyberdin und der Vorsitzende des Deutschen Lehrmittel- und Kulturzentrums Kirov Doz. Dr. A.N.Makarov an die Konferenzteilnehmer. Auf der Plenarsitzung hörte man sich vier Beiträge an, in welchen man Fragen der Toleranz in der Geschichte Russlands und Deutschlands, Probleme von Kriegsgefangenen der Napoleonischen Armee im Gouvernement Wjatka in den Jahren 1812-1813, die Forschungen der Geschichte von Deutschen in der Region Kirov, ihrer Sprachkompetenz und des Sprachbenehmens betrachtete.
Das Referat der Dozentin für Allgemeingeschichte der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften T. A. Worobjowa schloss die Geschichte der Verhaltensentwicklung des russischen Volkes mit Deutschen mit ein, die eine langjährige Geschichte hatte. Sie hing oft von mehreren Faktoren ab und hatte keinen eindeutigen Charakter. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Geschichte zweier Staaten auch tragische Perioden hatte - den Ersten und den Zweiten Weltkrieg. In Masse aber verhielt sich die russische Gesellschaft den in Russland wohnenden Deutschen gegenüber tolerant empfing und Deutschland als ein Land der entwickelten Wissenschaft und Gelehrsamkeit. Die Russen schätzten solche Eigenschaften dieses Volkes als "Sachlichkeit", Genauigkeit, Disziplin, Fleiß. Russlanddeutsche machten den Ruhm der russischen Wissenschaft und Kultur aus. Leider führte die Politik der sowjetischen Führung hinsichtlich der Russlanddeutschen dazu, dass die Nachkommen deutscher Auswanderer nach dem Zerfall der Sowjetunion begannen, nach Deutschland zurück zu kehren. Heutzutage ist es wichtig, die historische Erfahrung der Beziehungen zweier Völker zu studieren, um in der Gegenwart einander besser zu verstehen.
Im Vortrag des Hauptfachmanns der Abteilung für Benutzung von Archivdokumenten des Staatsarchiv der Region Kirov A.W.Kolotov wurde die wenig erforschte Frage über die Lage der Kriegsgefangenen der Napoleonschen Armee während der Kriegsjahre im Gouvernement Wjatka betrachtet, welche in der Gouvernementstadt Wjatka, den Landkreisstädten Orlov, Kotelnitsch, Malmysh, Urshum, Slobodskoj, Jaransk, Nolinsk, Glasov, Sarapul, Elabuga, sowie in den Glawnocholunizkij-, Tschernocholunizkij-, Kirsinskij-, Ishewskijwerken untergebracht wurden. Die deutschen Kriegsgefangenen unterteilte man gemäß ihrer Staatsbürgerschaft jener deutschen Staaten, zu welchen sie gehörten - Preußen, Bayern, Sachsen, Westphäler, Hessener, Hannoveraner. Die Lage der Untertanen von verschiedenen Ländern unterschied sich merklich. Nach dem Beschluss des Kaisers Alexander I. wurden Westphäler, Hessener, Hannoveraner als Verbündete anerkannt schon im November 1812, Preußen im Januar 1813, Sachsen im April, und den Bayern war die Freiheit erst im Oktober 1813 erklärt. Am 7.November 1812 erhielt der Wjatkaer Gouverneur Fjodor Iwanowitsch von Bradke "die Verordnung seiner Durchlaucht des Generalfeldmarschalls und des Oberbefehlshabers der Armeen Fürst Michaila Larionowitsch Golenischtschev-Kutusov, dass man von den Kriegsgefangenen der französischen Armee alle Wetsphäler, Hessener und Hannoveraner nach Sankt Petersburg zur Weiterfahrt nach Revel schicke zwecks der Bestimmung zur dort formierenden deutschen Legion". Die Kriegsgefangenen schickte man auch nach Riga und Brest-Litowsk. Anfang 1814 blieben im Gouvernement Wjatka keine deutschen Kriegsgefangenen.
Der Leiter der Abteilung für Nutzung von Archivdokumenten und automatisierten Technologien des "GASPI KO" W.S.Sharawin stellte eine kurze Übersicht von Fonds des Staatlichen Archivs für die sozial-politische Geschichte der Region Kirov (GASPI KO) nach einzelnen Kategorien der Deutschen vor, welche auf dem Territorium der genannten Region bis 1970-er Jahre des 20.Jahrhunderts wohnten: deutsche Kommunisten, Deutsche aus der Arbeitsarmee, deutsche Kriegsgefangene, deutsche Verbannte vom Wolga-Gebiet, der Ukraine. Etwas ausführlicher ging W.S.Sharawin auf die Biografien von zwei Deutschen ein, die eine hohe Stellung in den Parteikreisen des Gouevernements Wjatka inne hatten: Karl Winterstein - der Wjatkaer Militärkommissar, und Alexander Iwanowitsch Fischer, der die Parteiorganisation in der Stadt Kirov leitete.
Die Dozentin des Lehrstuhls für Linguistik und Übersetzen der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften O.W.Bajkowa machte die Konferenzteilnehmer mit solchen wichtigsten Aspekten der soziolinguistischen Charakteristik der Sprechenden bekannt wie die Festestellung ihrer Sprechkompetenz und des Sprechbenehmens. Es sei notwendig zwei Bedingungen auszusondern, die im größten Grade dem hohen Niveau der Sprechkompetenz entsprechen: die Aneignung der Muttersprache in der Familie von der Geburt an und die weitere muttersprachliche Schulausbildung. Die vorn der O.W.Bajkowa errungene Angaben erlauben die Schlussfolgerung zu ziehen, dass unter den Bedingungen disperser Niederlassungen von Russlanddeutschen der Verlust von Sprach- und Kulturbeziehungen ziemlich schnell geschieht, und bei zur dritten Generation kann das Niveau des Sprachgebrauchs der eigenen Nation zu Nichts werden oder auf dem Niveau des Schulprogramms bleiben, weil die errungene Kommunikationsfertigkeiten in der Praxis überhaupt nicht verwendet werden oder man sie sehr selten gebraucht. Eine niedrige Sprachkompetenz der Russlanddeutschen der Region Kirov und als derer Resultat eine hohe Stufe der Sprachassimilierung der Deutschen zu Gunsten der russischen Sprache ist durch folgende extralinguistische Faktoren bedingt: 1) in der Region Kirov gibt es keine deutschen Siedlungen an sich, darum kann die Rede sein nur von deutschen Bewohnern der Dörfer und Siedlungen der genannten Region, deswegen können sie keine Konkurrenz den Russen gegenüber ausmachen und bleiben eine nationale Minderheit; 2) der zu erforschende Bezirk ist durch eine ethnische Buntheit charakteristisch, wo der Gebrauch der russischen Sprache als Hauptkommunikationsmittel einfach notwendig ist; 3) nicht unbedeutend ist auch, dass staatliche und gesellschaftliche Institute in der Region fehlen, die die Sprachkompetenz bei ethnischen Deutschen begünstigen (Schulen mit dem Deutschunterricht als Muttersprache, TV- und Radiosendungen auf Deutsch).
Die Arbeit der Konferenzsektionen wurde nach folgenden Richtlinien durchgeführt: "Deutsche in der Geschichte einer russischen Provinz", "Die Inseldialektologie. Die Sprache der Russlanddeutschen", "Das deutsche Problem in der europäischen Politik des 20.Jahrhunderts". Erfreulich war es auch, auf Sektionssitzungen und als Teilnehmer nicht nur erfahrene Forscher, sondern auch Doktoranden und Studenten, die inhaltsreiche und informative Referate vorstellten.
Zum Abschluss dieses ereignisvollen Tages besprach man am runden Tisch die Ergebnisse der getanen Arbeit und man zog aus der Konferenz Fazit.
Im Rahmen der Konferenz bereiteten die Mitarbeiterinnen der wissenschaftlichen Bibliothek der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften eine Präsentation von wissenschaftlichen Forschungsliteratur, Archivdokumenten und philologischen Schriften zu aktuellen Problemen der Geschichte, der Kulturologie und Linguistik vor. Als Resultat der Konferenz ist der wissenschaftliche Sammelband "Deutsche in Russland: ein Blick aus der Provinz" vorbereitet, der allen Interessenten die Möglichkeit gibt, diese Probleme und Texte der Referate kennen zu lernen.
Zum Schluss möchte man die erfolgreiche Vorbereitung dieser wichtigen Veranstaltung von allrussischer Bedeutung und die Tätigkeit der Informationsseite der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften hervorheben.
Fr. Doz. Dr. Olga Bajkowa
Die Leiterin des Lehrstuhls für Linguistik und Übersetzen
der Wjatkaer staatlichen Universität für Geisteswissenschaften
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