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    "Deutsche in Wjatka", Konferenz 1998 Zusammenstellung, Berichtigung, Vorbereitung. A.N.Makarov, Kirov, 2000; Artikelautoren, Kirov, 1998

    Vom Herausgeber


    Vor einigen Jahren beschloss eine Gruppe von Enthusiasten, das Interesse für die deutsche Geschichte, Kultur und Sprache wiederherzustellen. Dieser Wunsch ist ganz natürlich, weil die Beziehungen des Wjatka-Landes mit Deutschland weit in die Vergangenheit zurückgehen; auch in den letzten Jahren nach einer bestimmten Verminderung begannen sie sich wiederum zu erneuern und zu erweitern.

    Als Dachorganisationen traten das Departement für Kultur und Kunst der Administration Kirov und die Kirower regionale wissenschaftliche Bibliothek "A.I.Herzen" auf. Sie beide organisierten und führten die Ausstellung "Deutsche in Russland. Russen in Deutschland" durch, die eine große Aufmerksamkeit der Kirower Öffentlichkeit auf sich lockte. Sie zeigte offensichtlich das im Laufe von Jahren nicht erschöpfte Interesse für die Kultur eines der nächsten für Russland Landes. Zur gleichen Zeit machte das in dieser Periode seine Tätigkeit in Russland erweiterte Deutsche Kulturzentrum (Das Goethe-Institut), der sich auch seinerseits an der genannten Ausstellung beteilgite, einen Vorschlag, in Kirov bei der Herzen-Bibliothek einen Lesesaal zu öffnen, wo deutschsprachige Lehrmittel vertreten werden sollten.

    Zum Anfang machte das Goethe-Institut uns ein wirkliches Zarengeschenk - eine ganze Bibliothek deutscher Bücher, Video- und Audiomaterialien. Das Departement für Kultur und Kunst seinerseits half den Lesesaal ausrüsten. Auf diese Weise entstand eine gesellschaftliche ehrenamtliche Vereinigung, die den Namen des Deutschen Lehrmittel- und Kulturzentrums Kirov erhielt. Darin sind praktisch alle Organisationen vertreten, die sich mit humanitärer Tätigkeit mit Deutschland beschäftigen.

    Eine Aufgabe des Zentrums ist es, allen denen zu helfen, die sich für Deutschland interssieren, seine Sprache und Kultur lernen (oder auch noch das machen möchten). Er organisiert die Vorführung von Lehr- und Kunstfilmen in deutscher Sprache, führt Tage der offenen Tür und Tage der deutschen Kultur durch. Außerdem wird ein großer Teil seiner Tätigkeit von seinen Mitgliedern direkt verwirklicht.

    Ein Ergebnis seiner Arbeit ist auch dieser Sammelband, der Ihrer Aufmersakeit angeboten wird; diese Vorträge wurden während der wissenschaftlich-praktischen Konferenz am 23.September 1998 vorgestellt. Im Prinzip ist dieser Band die erste Ausgabe solcher Art, worin man Probleme vielseitiger Beziehungen Deutschlands, Österreichs (d.h. deutschsprachiger Länder) und Wjatka, der Länder, welche in unseren Schulen gelernt werden, und eines der Territorien Russlands bespricht.

    Wir hoffen, dass Tage der Kultur und wissenschaftliche Konferenzen zur Tradition werden und auf sich Aufmerksamkeit weiterer Kreise der Öffentlichkeit ziehen.

    Ich möchte die Möglichkeit nutzen und Worte offenherziger Dankbarkeit dem Gouverneur der Region Kirov Herrn Professor Wladimir N.Sergejenkov aussprechen, dank seiner Unterstützung erweitert das Zentrum seinen Tätigkeitsbereich. Unsere lieben Worte gelten sowohl dem Departement für Kultur und Kunst der Administration der Region Kirov, der Leitung der Kirower regionalen wissenschaftlichen Bibliothek "A.I.Herzen", als auch allen denen, die durch ihre aktive Teilnahme die Tätigkeit des Zentrums ermöglicht haben.

    Die angebotenen Referate wurden während der oben erwähnten Konferenz vorgetragen. Wir versuchten, alle persönlichen sprachlichen Eigenschaften ihrer Autoren zu behalten. Außerdem wird die Schreibung deutscher und österreichischer Vor- und Familienamen im deutschen Teil des Sammelbandes nach den möglichen Varianten ihrer Schreibung gegeben.

    Wir werden von Herzen allen danken, die uns ihre Bemerkungen und Wünsche mitteilen. Wir werden froh darauf sein, Sie unter unseren Freunden begrüßen zu können! Alle Wünsche bitten wir an die Adresse des Deutschen Lehrmittel- und Klulturzentrums Kirov zu richten:

    Deutsches Lehrmittel- und Kulturzentrum Kirov
    c/o Kirower Regionale wissenschaftliche Bibliothek "A.I.Herzen"
    Herzen-Str. 50
    610000 Kirov, Russland.
    Tel. 00 7 (8332) 64 40 37

    eMail:   dz-kirov@yandex.ru
    arkadi@web.de


    Die Texte dieser Ausgabe sind von Herrn Michael L.Kassatkin und Herrn Arkadi N.Makarov übersetzt. Wir danken an dieser Stelle unseren Freunden vom Goethe-Institut Moskau und der Siemens AG; unser besonderer Dank gilt Herrn Rene Harun (Siemens AG), der unsere Texte durchgesehen hat.

    Prof. Dr. Arkadi N.Makarov
    Der Vorsitzende des Rates des Deutschen Lehrmittel- und Kulturzentrums Kirov


    © W.B.Pomelov (Kirov)

    Der bedeutende Orientalist und Pädagoge W.W.Radlov


    Wassilij Wassiljewitsch (geb. Friedrich Wilhelm) Radlov (Ratloff) wurde am 5.Januar 1837 in Berlin geboren. Sein Vater, Reserveoffizier, Teilnehmer im Krieg von 1813 als Stadtpolizeikommissar. Als einziger Sohn bekam Friedrich Wilhelm eine gute Ausbildung. Seine Schulzeit auf dem Gymnasium fiel mit den Revolutionsereignissen des Jahres 1848 zusammen, die einen tiefen Eindruck auf den wissbegierigen Jungen machten. Später gedachte er seiner Kindheit, er erinnerte sich an diese Tage, als er zusammen mit seinen Altersgenossen den Erwachsenen half, Kugeln aufzuschneiden, mit Pistolen zu schießen, wobei die Pistolen aus dem Grund des Mangels an der Munition mit Nageln statt Kugeln geladen waren.

    Besondere Aufmerksamkeit in deutschen Gymnasien jener Zeit wurde den klassischen Sprachen gewidmet. Lehrer waren nicht nur gründliche Fachmeister, sondern auch große Enthusiasten, denen es gelang, ihre Schüler in Latein und Altgriechisch, zu bekannten Schriftstellern, Philosophen und Rednern des Alten Rom und Griechenland hinzureißen. Klassische Literatur war für diese bescheidenen Pädagogen der einzige Kanal, den sie benutzen konnten, um ihre freiheitliebenden Gedanken auszudrücken. Nicht von ungefähr teilte der Professor des Lehrstuhls für griechische Literatur Benari so viel Zeit zum Studium der Reden von Dämosphen zu. Er versuchte, im Laufe der Deklamation so lebhaft und überzeugend seinen Hörern die künftige Tragödie zwischen Athen und Mazedonien wiederherzustellen, als ob es um Ereignisse in seiner Heimat handelte. Mit Dank erinnerte sich F.W.Radlov an die Lehrer der deutschen Literatur. Er lernte lange Abschnitte von J.W.Goethes "Faust", F.Schillers "Die Glocke", H.Heines "Das Lied der Lieder" kennen.

    Das Erlernen der klassischen und modernen Literatur in deutschen Gymnasien erzog beim jungen Radlov die Liebe zur Philologie an, trug der Formung seines klaren, lakonischen und eleganten literarischen Stils bei.

    1854 bezog F.W.Radlov die philosophische Fakultät der Berliner Universität. Zuerst interessierte er sich für die Theologie, aber sehr bald verlor er das Interesse für dieses Gebiet und wandt sich der Philosophie zu, die im Geiste von J.F.Gerbart gelehrt wurde. Aber seine wahre Berufung für sein Leben blieb die Philologie.

    Die Formung F.W.Radlovs philologischer Neigungen wurde von jenem Umstand stark beeinflusst, dass in Jahren seines Studiums eine neue Philologierichtung nämlich Vergleichende Sprachwissenschaft sich rasch entwickelte. Damals arbeitete an der Berliner Universität der Gründer dieser Richtung Franz Bopp, sowie weitere bekannte Philologen wie Trendelenburg, Mischellee und der künftige Gründer der Völkerpsychologie Steintahl. Zwei Semester verbrachte F.W.Radlov in Halle. Dort besichtigte er Lektionen von August Pott - des bekannten Phonetisten, eines der Gründer der Vergleichenden Sprachwissenschaft.

    Allmählich formierte sich die Hauptrichtung der wissenschaftlichen Nachforschen des künftigen Forschers F.W.Radlov. Unter dem Einfluss von dem Polyglott-Orientalisten Schott, dem Autoren solcher bekannter Werken wie, z.B., "Älteste Nachrichten von Mongolen und Tataren" (1845), "Über die echten Kirgisen" (1865), "Zur Ungurenfrage" (1874-1875), spezialisierte sich Radlov für die Orientalistik. Dazu lernte er Pharsi, Idisch, Arabisch, Chinesisch, Türkisch und die Mantschzhurensprache. Schotts Untersuchung der Ural-Altai-Sprachen erlaubte ihm, enge Beziehungen zu einflussreichen Personen in Russland zu stellen. Letztere halfen Schott, in Berlin das Archiv zur wissenschaftlichen Kunde von Russland zu gründen, wo er seine wichtigsten Werke veröffentlichte. Schotts Kontakte zu Russland beeinflussten entscheidend F.W.Radlovs Schicksal. Unter dem Einfluss seines Lehrers traf er eine Entscheidung, sein Leben dem Studium der Fern-Östlichen Sprachen zu widmen. Dazu entschloss er sich, nach Sankt Petersburg zu fahren.

    Kurz davor, 1854, wurde in Sankt Petersburg die Orientalische Fakultät gegründet, wo bedeutende Wissenschaftler (Tantavi, Kasem-Bek, Beresin, Popov, Chvolsson, Wassiljev) tätig waren. In der russischen Hauptstadt wohnte der prominente Gelehrte Betlingk - Autor des Werkes über die Jakutensprache, das zu einem der Gründe zum weiteren Studium auf dem Gebiet der Vergleichenden Grammatik der türkischen Sprachen diente und einen großen Eindruck auf den Studenten F.W.Radlov machte. Einen anderen wichtigen Begleitumstand, der zum Umzug des jungen deutschen Gelehrten nach Sankt Petersburg beeinflusste, bestand in weitentwickelter Tätigkeit der russischen Regierung und der Akademie der Wissenschaften (weiter - AW), die im Zusammenhang mit dem Anschluss an Russland der ausgedehnten Amurregion gut ausgerüstete und andauernde Expeditionen nach dem Fernen Osten veranstalteten. Im Nieder-Amur-Gebiet arbeitete die Expedition der AW unter der Leitung von Schränk. Die Russische Erdkunde-Gesellschaft bereitete die Expedition unter der Leitung von F.B.Schmidt vor. Die Teilnahme an einem solchen Unternehmen war eine Verführung für den jungen Linguisten, der seine theoretischen Kenntnisse zum Studium der modernen Sprachen und ihren Trägern zu verwenden suchte.

    Im Prozess der Vorbereitung zur wissenschaftlichen Karriere in Russland lernte Radlov die russische Sprache kennen und zur Universitätsbeendigung konnte er russisch freilich sprechen. Am 20.5.1858 bekam er an der Universität Jena den Doktorgrad für Philosophie verliehen. Bald danach verlobte er sich mit der Schullehrerin Pauline Augusta Fromm, und dann reiste er nach Russland. Hier arbeitete er meistens in der Bibliothek des Asiatischen Museums und beschäftigte sich mit dem Studium der Geschichte und Sprachen der Völker der fernöstlichen Region.

    Bald fand Radlov einen hochgestellten Gönner - Baron P.K.Meiendorf, der früher als der russische Gesandte in Berlin tätig war. Leider war die Schmidt-Expedition verlegt. Unter anderem strebte der junge Gelehrte zur praktischen Arbeit. P.K.Meiendorf schlug ihm vor, eine unbesetzte Arbeitsstelle des Deutsch-Latein-Lehrers in der Barnauler Bergschule, die bald darauf in ein Gymnasium umgebildet werden sollte, einzunehmen. Der Lohn war nur 1000 Rubel pro Jahr, und das war natürlich nicht so verlockend. Anziehender Teil dieses Vorschlags bestand darin, dass er jährlich (1859-1863) 700 Rubeln auf Sommerexpeditionen in der Altairegion bekommen sollte. F.W.Radlov nahm diesen Vorschlag, dringend legte die Prüfung ab, die ihm das Recht gab, im Gymnasium zu lehren, und im Mai 1859 reiste er nach Barnaul, - damals Goldextraktiveindustriezentrum. Hier nahm er einen neuen Vor- und Vatersnamen - Wassilij Wassiljewitsch.

    Diese Reise dauerte 5 Wochen. In Barnaul leistete dem Gelehrten der russifizierte Deutsche, der Bergsgebietsleiter A.E.Fräse die Hilfe, der sich gleich auf eine Inspektionsreise nach Kusnezkbezirk vorbereitete. Als er über wissenschaftliche Interessen von Radlov erfahren hatte, schloss er sich ihm ein. Es war Radlovs erste Bekanntschaft mit diesem Gebiet.

    1860 fand seine erste selbstständige Expedition im Altai-Gebiet statt - zum Tschu-Fluss und zur russisch-chinesischen Grenze. W.W.Radlov sammelte eine große Anzahl der Beispiele der hiesigen Folkskunst, lernte Beziehungen zwischen Russen und fernöstlichen Völkern kennen. Hier lernte er einen Teleuten, Tschevalkov, kennen, lud ihn nach Barnaul ein und lernte von ihm den ganzen Winter die teleutische Sprache. (Er studierte in ähnlicher Weise die Sprachen von Kalmyken und anderen Altai-Völkern.)

    Im Frühling 1861, zusammen mit Tschevalkov, reiste W.W.Radlov zum Telezkoje-See - zu Teleuten und Gebirgs-Kalmyken des West-Altai-Gebiets. Es gelang den Reisenden, bis zu Ssojoten, am Ssajan-Gebirge wohnendem und zu jener Zeit überhaupt unbekanntem Stamm zu reisen. 1862 führte W.W.Radlov die Forschungen in der ost-kirgisischen Steppe, - an einem Siedlungsraum der Kasak-Kirgisen. Dann durchsuchte er das von Kalmyken, Mantschzhuren, Kirgisen und Chinesen bevölkerte Ili-Thal und erreichte den Issyk-Kuhl-See. Das wissenschaftliche Resultat dieser Reise schloss nicht nur eine reiche Sammlung des kirgisischen Folklore-Stoffs ein, sondern auch geschichtlich-erdkundige Beschreibung dieses Gebiets, die zum ersten Male in der wissenschaftlichen Literatur verwirklicht wurde. Als erster begann W.W.Radlov die Erforschung der alten Grabstätten im Altai.

    1863 begab er sich zum Osten des Altais, durch Tohm, Taschlyk und Minussinsk, zu den Abakan-Tataren. Gleichzeitig setzte er linguistische Forschungen und archäologische Untersuchungen in diesem Gebiet der Bronze-Kultur fort.

    "Deutsche Landsmannschaft" in Sankt Petersburg (Akademiemitglied Baer, Hoffräulein Edith von Raden) half Radlov, eine neue staatsfinanzielle Beihilfe auf 5 Jahre zum Studium der Sprache und Ethnographie der west-sibirien Tataren zu erhalten. 1868-1869 untersuchte W.W.Radlov Ssemiretschje (Sieben-Flusse-Treffpunkt).

    Gleichzeitig unternahm die Regierung die Eroberung von Turkestan, und Radlov hatte die Möglichkeit, in diesem turksprachigen Gebiet seine Untersuchungen fortzusetzen. Die Verwaltungsbehörde dieses Gebiets und die damalige Gesellschaft interessierten sich sehr für die Sprachen und die Ethnographie der hiesigen Völker. W.W.Radlov half der Administration als Dolmetscher und Fachmann in komplizierten Fragen, wie der Grenzestellung zwischen dem durch Russland eroberten Territorium und benachbarten Khanaten.

    Gesammeltes Material sollte mehrfach geprüft, systematisiert, bearbeitet und veröffentlicht sein. Schon in der Barnaul-Periode erschienen seine ersten Artikel und Berichte im "Archiv für wissenschaftliche Kunde von Russland", "Petermanns Mitteilungen", "Ermanns Archiv", "Bulletin der Akademie der Wissenschaften". Er veröffentlichte seinen ersten Band des monumentalen Werkes "Beispiele der Literatur der Türkischen Völker" unter dem Titel "Dialekte der Altaier, Teleuten, Tschern - und Lebedin-Tataren, Schorzen und Ssajaner". 1868 erschien der zweite Band - "Tschuym-, Kysyl- und Abakan-Dialekte (Sagai, Kobal, Katschi)", 1870 - der dritte Band - "Kirgisische Dialekte", 1872 - der dritte Band - "Dialekte der Barybin-, türkischen, Tobol- und Tjumehn-Tataren". Diese ausführlichen Werke verlangten viel Arbeit bei der Übersetzung und Transkribierung und enthielten werte sprachliche und folkloristische Stoffe.

    Diese Werke machten den Namen von Radlov dem weiten Kreis der Folkloristen und Linguisten bekannt. Akademiemitglied Schiffner bemerkte im Vorwort zum ersten Band die wesentliche Bedeutung dieses Werkes; er stellte nicht nur eine linguistische Erforschung vor, sondern auch, dank ihrem werten Inhalt "öffnete auch neue Möglichkeiten für vergleichende Untersuchungen im Gebiet der Mythologie und Folklore." Seine Voraussage ging in Erfüllung. Bald danach erschien die Monographie von W.W.Stassov "Die Herkunft der altrussischen Sagen", die sich in bedeutendem Ausmaß auf W.W.Radlovs Materialien gründete. Der bekannt? Folklore-Forscher A.Wesselowski empfiel die Werke von W.W.Radlov als höchstnotwendige für jeden Forscher auf diesem Wissenschaftsgebiet. Bis jetzt erhalten ihren Wert einige von seinen Artikeln, z.B., "Mittleres-Zaravschan-Thal", "Ili-Thal in Hoch-Asien und ihre Bewohner", "Handelsbeziehungen zwischen Russland und der West-Mongolei und ihre Perspektive" aufrecht, sowie verschiedene Berichte seiner Reisen, die in "Nachrichten der Russischen Geographischen Gesellschaft" veröffentlicht wurden.

    Radlovs Kollegen erkannten seine Werke als eine Art von Enzyklopädie, die ihrer Meinung nach den neuen und wertvollen Stoff in die türkische Linguistik, Ethnographie, Erdkunde und Archeologie des West-Sibirien, des Altai und des Mittleren Asien einführte. Diese Arbeit wurde gewürdigt. 1868 verlieh die Universität Derpt W.W.Radlov "pro maxima inelligentia linguarum orientalium" den Doktortitel als Ehrentitel für Phylologie "honoris causa".

    1871 reiste W.W.Radlov nach Sankt Petersburg. Unterwegs hatte er ein Treffen mit dem hervorragenden Ausbilder der nicht-russischen Völker N.I.Ihlminski und dem Kurator des Kasaner Ausbildungsgebiets P.D.Schestakov. Man sprach über den Stand des Bildungswesens der Tataren und ihre Schulen in Kasan, Wjatka und anderen Gebieten. W.W.Radlov bekam den Antrag, diese Schulen zu leiten, das heißt ein Inspektor für tatarische, baschkirische und kirgisische Schulen zu werden. Diese Schulen selbst existierten damals noch nicht. Sie sollten noch errichtet werden. W.W.Radlov nahm diesen Vorschlag an und begann die Verwirklichung seines Programs der Eröffnung der Schulen für Tataren in dieser Region. Es gelang ihm, sein Program in kürzester Zeit bei dem Volksausbildungsminister D.A.Tolstoi und dem Staatsrat zu bestätigen.

    Die islamische Bevölkerung traf Radlovs Tätigkeit sehr feindlich. Fanatisch gestimmte Leute leisteten Widerstand allen Bemühungen des Auklärers, russische Schulen für Tataren zu öffnen, und verfolgten jeden, der es wagte, ihm Hilfe zu leisten. In der Stadt Tetjuschi beispielsweise willigte nur ein einziger Hausinhaber ein, eine Etage seines Wohnraums für solche Schulen zu vermieten, wohingegen sich jedoch auf einer anderen Etage ein Bordell befand. Und Radlov war gezwungen, dies einzuwilligen.

    Der Inspektor W.W.Radlov fuhr oft nach Kasan und in südliche Bezirke des Wjatka-Gebiets, da diese dicht von Tataren bevölkert waren. Er versuchte sie zum Europastudium begeistern zu können.

    So gründete er zunächst in Ufa ein Lehrer-Seminarium, da dort alle notwendigen Dokumente vorbereitet waren, und dann eines in Kasan. Die ersten Lehrer waren Russen, aber allmählich erschienen die nationalen Kader: Herausgeber vieler Bücher in tatarischer Sprache, Verfasser des russisch-tatarischen Kalenders Abdul Kajumov, Student der Universität, später Inspektor des Kasan-Seminariums Achmerov, Tierarzt Teregulov, der naturwissenschaftliche Fächer lehrte.

    Die ersten Schüler des Seminariums waren überalterte Schüler (Schakirden) aus einer Medrese. Ihre Weltanschauung glich sich der mittelalterlichen Scholastik an. Es war nötig, für sie eine besondere didaktische Methode zu nutzen, um das Interesse zu weltlichen Kenntnissen zu erwecken. Da andere Pädagogen zu unerfahren waren, musste W.W.Radlov den gesamten Lehrbetrieb kontrollieren. Er verfasste auch einige Lehrbücher, z.B. das erste Tatar-Lehrbuch für nicht-russische Schulen.

    Eine interessante Methode nutzte W.W.Radlov, um das Vertrauen der Bevölkerung für seine Tätigkeiten zu erlangen. Er glaubte, dass die Hauptursache des Unvertrauens seitens der Tataren zu russischen Schulen dar bestand, dass sie sich davor fürchteten, "vom richtigen (moslemischen) Weg" abgebracht zu werden. Deswegen bemühte er sich, seiner Lehrerschule einen religiös-islamischen Charakter zu verleihen. Es gab zunächst eine schwierige Aufnahme. In der Schule herrschte strenge Disziplin und strikte Erfüllung aller islamischen Forderungen. Das schürte, wie Radlov es schon ahnte, den Protest der Schüler, die sich oftmals auch vom Islam abwandten.

    In Kasan fand W.W.Radlov Gesinnungsgenossen - beispielsweise den Linguisten Iwan Aleksandrowitsch Boduen de Kurtene, der damals in dieser Stadt wohnte. Von B. de Kurtene übernahm Radlov das Interesse für allgemeinlinguistische Probleme. 1881 schrieb Radlov einen Bericht für den Kongress der Orientalisten. Das Thema seines Berichtes war "Lautalternationen und ihre Bedeutung für die Sprachentwicklung, belegt durch Beispiele aus den Turksprachen".

    In diesen Jahren veröffentlichte man seine Werke, wie z.B. "Vergleichende Grammatik der nord-türkischen Sprachen", "Phonetik der nord-türkischen Sprachen", "Konsonanten in nord-türkischen Sprachen". Das letzte Werk, das in Kasan veröffentlicht wurde - "Aus Sibirien" - schloss die Tagebuch-Notizen und Artikel, die den Problemen der Religion, Archäologie und Ethnographie der westsibirischen Völker gewidmet waren, ein. Ein Abschnitt dieses Werkes "Schamanentum und sein Kultus" bleibt bis jetzt eine wichtige Quelle für Erforscher der religiösen Darstellungen der östlichen Stämme in Russland.

    Von 1883 bis zu seinem Tode (12.05.1918) lebte W.W.Radlov in Sankt Petersburg. Er war Direktor des Asiatischen Museums (1885-1890) und des Museums für Antropologie und Ethnographie der AW (1894-1918). 1884 wurde er Akademiemitglied der AW auf dem Gebiet "Geschichte und Altertum der asiatischen Völker". Er war einer der Initiatoren und Vorsitzender des "Russischen Komitees für Erforschung Mittel- und Ost-Asiens" (1903-1918). 1891 leitete er selbst die sogenannte Orchonskaja-Expedition, die ethnographische und linguistische Untersuchungen in der Mongolei durchführte. 1898 organisierte er mit demselbem Ziel unter der Leitung von D.A.Klemenz die Turuhanskaja-Expedition, die ihre Arbeit im Zentral-Asien ausführte.

    In dieser Zeit veröffentlichte W.W.Radlov folgende Werke: "Älteste türkische Unterschriften in der Mongolei" (1894-1895), "Einführungsgedanken zur Beschreibung der Morphologie der türkischen Sprachen" (in vier Bänden) (1882-1909). Er beendete eine 10-Bändige Forschung "Beispiele der Volksliteratur der türkischen Völker" (1866-1907). Einige seiner Werke waren der Ethnogenesis, der Klassifikation und der Geschichte der Dialektologie der türkischen Völker und der Untersuchung der einzelnen Sprachen gewidmet ("Über die Sprache der Kumanen. - S.-Pb., 1884).

    Wissenschaftliche und pädagogische Tätigkeit von W.W.Radlov, "eines russischen Sohns des deutschen Volkes", war auf die Überwindung der Kenntnislosigkeit und der mittelalterlichen Scholastik ausgerichtet. Dafür verdiente er eine tiefe Dankbarkeit. Seine methodischen Werke nutzte man aktiv im Ausbildungsprozess im Mittel-Wolga-Gebiete in Schulen für nicht-russische Kinder. Seine Zeitgenossen, der bekannte Aufklärer W.A.Bogorodizki, N.I.Ihlminski, Direktoren der Volksschulen des Wjatka-Gebiets A.A.Krassev und A.I.Anastassiev würdigten seinen großen Beitrag zur Ausbildung der hiesigen Bevölkerung. Der Autor zahlreicher Lehrbücher für nicht-russische Schüler I.S.Michejev schätzte W.W.Radlov als bedeutenden Wissenschaftler und Aufklärer. Einheimische Gelehrten W.M.Gorochov und A.F.Efirov meinten, dass W.W.Radlov die Basis der Vergleichenden Sprachwissenschaft der Sprachen einiger Völker Russlands gelegt und den Beginn ihres Aufklärens begonnen habe.


    Anmerkungen
    S. im russischen Text des Artikels

    Übersetzung. Arkadi Makarov. - Kirov (Russland), 2000.


    © K.P.Oschtschepkov (Kirov)

    Bierbrauerei von Karl August Otto Schneider in Wjatka


    In der Wirtschaftsgeschichte der Stadt Wjatka gab es schon immer gute und schlechte Zeiten. Besonders interessant ist die Gründung und der Aufbau einer Bierbrauerei unter der Leitung von Karl August Otto Schneider, dem Bürger des Herzogtums Sachsen-Meiningen.

    Im März 1903 kam in Wjatka aus dem Kreiszentrum des Wjatkaer Gouvernements Slobodskoj "ein bekannter Bierbraumeister und Technologe" Schneider an, der bisher in der Bierbrauerei "Erben von I.W.Aleksandrov in Slobodskoj" Bier gebraut hatte, welches übrigens 1886 auf der ersten russischen Landwirtschaftsmesse in Nishnij Nowgorod mit der zweiten Preismedaille ausgezeichnet war. Unmittelbar nach der Ankunft wurden von ihm alte Betriebsräume in der Wladimirskaja-Straße gekauft und zur Umfunktionierung für eine Bierbrauerei vorbereitet, sowie neue Räume gebaut. Gleich darauf kam es zur Anstiftung der "Genossenschaft der Wjatkaer Bierbrauerei von K.O.Schneider und G.N.Schmeljov", deren Statut das Recht "auf das Bierbrauen nach deutschen und russischen Rezepten sowie die Produktion von Honiggetränken und Selterswasser" verkündete. Der Vertrag wurde am 28.März 1903 unter der Registernummer 1170 abgeschlossen. Er ermöglichte nun "Bier und Honiggetränke in ganz Russland sowie im Herzogtum Sachsen-Meiningen" abzusetzen. Der russischen Gesetzgebung nach wurde zum Leiter des Betriebs Grigorij Nikolajewitsch Schmeljov, "Kleinbürger des Gevournements Kostroma", ernannt. 1912 wurde der Vertrag verändert: erstens, man erhöhte haftendes Kapital von 10 000 Rubeln (je 5000 Rubel pro Seite) bis 20 000 (bzw. 10 000 Rbl pro Seite). Dabei war bei der Kapitaleinschätzung auch der Marktpreis der Waren, Materialien und sonstigen den Mitgründern gehörenden oder in der Produktion eingesetzten Eigentums" miteinbezogen. Genossenschaft war "auf dem Glauben" gegründet, d.h. beide Geschäftspartner vertrauten einander praktisch alle Geschäftsoperationen an, ausgenommen die Schuldscheine (deren Anfertigung mussten beide bejahen.)

    Den neuen veränderten (1906-1912) russischen Gesetzen zufolge durften beide Mitstifter die Produktion leiten, wobei Schneider seine Staatsangehörigkeit behielt. Nach dem neuen Register blieb auch das Statut des Unternehmens erhalten: Brauen und Verkauf des Biers. Doch mit dem Übergang des ganzen Handelsnetzes in die Hände von Schneider wurde gerade er zum wahren Besitzer der Brauerei.

    Recht beträchtlich war der Produktionsaufbau: die ersten 100 000 Eimer Bier braute man schon zu 1907, seit 1909 was es nun die übliche Jahresnorm.

    Der harte Konkurrenzkampf mit den anderen russischen Bierproduzenten hatte auch die Veränderungen (Ausweitung) des Handelsnetzes zur Folge: 1907-1908 waren in Wjatka in Schneiders Eigentum erst 7 Bierkneipen (Schenken), 1911 gehörten ihm schon außer der Brauerei noch 2 Bierrestaurants und 20 Bierschänken, die die ganze Stadt umfassten, während die Firma der "Erben von Aleksandrov" nur 4 solche Einrichtungen hatte. 1917 leitete die Witwe von Schmeljov - Schneiders Nachfolgerin - insgesamt 44 Bierkneipen.

    Zwecks der Vergrößerung des Produktionsabsatzes begann das Unternehmen, sich seit 1912 an der Messenbedienung in den südlichen Bezirken des Gebiets zu beteiligen. Dabei betrugen die Transportkosten für Fassbier bis 5 Rubel und für Flaschenbier bis 2 Rub. 50 Kopeken pro Pud (16 kg).

    Befördert wurde das Bier von der Anlegestelle in Wjatka von der Wolga-Wjatka-Reederei und "unter persönlicher Garantie von T.F.Bulytschjov" versichert. Das Interessante ist, dass "Schneiders Firma 1912 auch die Bierausfuhr von den Betrieben der "Erben von Aleksandrov" (Slobodskoj) monopolisiert hat, was die Archivangaben bezeugen (Kosten für die Fassbierbeförderung aus dieser Stadt belaufen sich auf 2 Rubel/Pud, bzw. 1 Rubel/Pud bei Flaschenbier).

    Geschwächt wurden die Positionen anderer Wjatkaer und russischer Bierproduzenten durch den Bau eines nicht weit von Slobodskoj liegenden Flaschenbetriebs, dessen Bau Schmeljov leitete. Bemerkenswert ist, dass die Flaschen damals keine Etiketten hatten: Flaschen trugen den Firmen- und Produzentennamen, die in Glas gegossen waren. Also es war nicht möglich, einem anderen Bierproduzenten eine solche Flasche abzugeben. Dabei war der Preis einer Leerflasche zu jener Zeit ziemlich hoch - von 1 bis 3 Kopeken. Für den Leerflaschentransport aus Slobodskoj zahlte Schneider 33 Koeken pro Pud.

    Das Produktionsangebot war 1914 sehr reich. Man braute 16 Biersorten: "Bayerisches", "Wjatkaer Bayern", "Gerstenbier", "Goldgerstenbier", "Bayern", "Wjatkaer Porter", "Märzbier", "Gerstenähre", "Kristall" u.a. Dabei wurde dem "Bayerischen" ein solches Statut auf Erlaubnis der Bierbraumeister aus Bayern verliehen. Zu erwähnen ist, dass die Brauerei seit 1912 den Hof des russischen Kaisers sowie den des Herzogs von Sachsen-Meiningen mit ihren Getränken belieferte.

    Zu jener Zeit waren kleinere Bierbrauereien sowie Warenlager der Genossenschaft gebietsweit eröffnet (Slobodskoj, Orlov, Kotelnitsch...). Dabei transportierte man "lebendiges" Bier nicht weiter als 200 km, während "totes" Bier (Es enthielt natürliche Konservanten, die aber nicht nur schädliche sondern aus nützliche Bakterien töteten) in Nishnij Nowgorod, Moskau, St. Petersburg, Meiningen und Berlin vorzufinden war. Hefe wurde nach Polen, Deutschland, Dänemark und Frankreich geliefert.

    Eine Flasche Bier kostete von 4 bis 8,5 Kopeken, was damals der niedrigste Preis in ganz Russland war.

    Aber das Wohlergehen eines ausländischen Unternehmers im Russischen Reich hing nicht nur vom Erfolg seines Unternehmens sondern auch von seinen öffentlichen Beziehungen, seinen Bekanntschaften in der Stadtgesellschaft ab. Um seine Absichten ins Leben umzusetzen, sollte man in eine Wohltätigkeitsgesellschaft oder einen der Vereine eintreten, wobei die Bedingungen für den Eintritt recht streng waren: Wohnzeit in einer russischen Stadt (von 5 bis 10 Jahren), Bewerbungszeit für den Eintritt in die jeweilige Gesellschaft (von 2 bis 3 Jahren), Geldbetrag (mindestens 100 Rbl/Monat).

    Eine der ersten Gesellschaften wurde für Schneider die Gesellschaft der Nordjäger, die damals unter Wjatkaer Kaufleuten populär war, und die er 1909/10 leitete. Später (1914) wurde er zum Vorsitzenden der Wjatkaer Feuerwehrgesellschaft gewählt, konnte aber seinen Posten nicht lange beibehalten. (Schon im Oktober 1914 begann man die "Säuberungsaktion" der Staatsämter und öffentlicher Gesellschaften von den Angehörigen der deutschen Staaten.)

    Seit Oktober 1914 wird Schneiders Name nicht mehr erwähnt und Anfang 1915 verkaufte M.E.Schneider, "Witwe des Wjatkaer Bierbraumeisters" und Angehörige des Herzogtums Sachsen-Meiningen ihr aus einem zweistöckigen Haus mit dem Fliegel bestehendes Anwesen, welches nur in Besitz einer Brauerei des Bezirks Slobodskoj überging. Später fand in diesem Gebäude ein Offizierbardell Unterkunft.

    Die Abreise Schneiders Witwe nach Meiningen war mit den Requisitionsbereitungsmaßnahmen verbunden. Schon seit Oktober 1915 begann man das Eigentum der Bürger Deutschlands zu beschlagnahmen und seit Dezember 1915 sie zu verhaften. ("Der Plan" wurde im Januar-Februar 1916 erfüllt.)

    Seit Februar 1916 trat die Witwe von Schmeljov den vollen Besitz der Brauerei an. Im Archiv der Aktiengesellschaft "Wjatitsch" kann man das letzte Großbuch (datiert 1917) mit der letzten Bilanz des Betriebs finden, die nun den Geschäftserben von Schneider gehörte. Im März 1918 wurde das Unternehmen nationalisiert, 1921 wiederaufgebaut als eine staatliche Bierbrauerei, mit dem Aktienkapital. Seither ist sie ein gewinnbringendes Unternehmen.

    Man kann also behaupten, dass Karl August Otto Schneider einen Betrieb geschaffen hatte, der die Wjatkaer städtische Ökonomie Ende des 19. - Anfang des 20.Jahrhunderts gewinnbringend machte, der einen Grundstein zur fabrikmäßigen Bierproduktion in der Gouvernementshauptstadt (heute in der Region Kirov) legte, der diese für das Wjatka-Gouvernement nicht traditionelle Ware nicht nur auf den innenrussischen Markt (das hatte bereits I.W.Alexandrov gemacht), sondern auch auf den internationalen Markt brachte. Eben sein Verdienst ist es, dass das Wjatka-Bier beim Hofe des Russischen Kaisers und den Höfen europäischer Monarchen ausgeschenkt wurde. Die Medaillen der Industrie-, Handwerk- und Landwirtschaftsausstellungen in Nishnij Nowgorod, Kasan, Moskau, St.Petersburg stellten dieses Bier in die Reihe der besten russischen Sorten.

    Anmerkungen:
    S. im russischen Text des Artikels.

    Übersetzung. Arkadi Makarov. - Kirov (Russland), 2000.


    © E.W.Zarewa (Kirov)

    W.W.Vogel - der Verwalter der Wjatkaer Abteilung der Staatsbank


    Unter den Verwaltern der Wjatkaer Abteilung der Staatsbank vom Zeitpunkt ihrer Gründung seit 1865 und bis 1919 kann man viele würdige Namen nennen. Zu diesen Personen konnte man ohne Zweifel den Namen von Werner Wassiljewitsch Vogel rechnen, der die Wjatkaer Abteilung der Bank in den Jahren 1912-1919 geleitet hat. Es war eine Periode komplizierter politischer und ökonomischer Lage, als sich die finanzielle Tätigkeit der Abteilung unter den Bedingungen der Kriegszeit, des Wechsels des politischen Systems verwirklichte. Unter solchen Bedingungen erlaubten es persönliche Eigenschaften des Verwalters als eines erfahrenen Finanziers, der über eine Kenntnis örtlicher Bedingungen, der Geschicklichkeit richtig die Beziehungen mit den Bankkunden aufzubauen verfügte, der die politische Lage erkannte, der Abteilung vollständig Bankaktionen durchzuführen.

    Die Laufbahn des Berufsangestellten einer Bank begann sich noch lange Zeit vor der Ankunft Werner Wassiljewitschs auf dem Wjatkaboden zu bilden. 1897 beendete Werner Vogel seinen Lehrgang am Demidow-Juralyzeum in der Stadt Jaroslawl. Die Jaroslawler höherer Wissenschaften Fachschule, gegründet 1805 und umgestaltet 1870 zum Demidowschen Juralyzeum, nahm seinen Platz gleich hinter den Universitäten. Unter den zu erlernenden Fächern gab es: Mathematik, Physik, Chemie, russische und lateinische mündliche und schriftliche Literatur, Philosophie, Geschichte, Bürger- und Strafrecht, Politische Ökonomie und Finanzen, Statistik und Buchhalterei, Deutsch und Französisch, Gottesgesetz. Für einen Menschen, der eine allseitige Bildung bekommen wollte, gab das Lyzeum eine gute Möglichkeit. Nach dem Lyzeumsabschluss wurde Vogel in die 2. Strafabteilung des St. Petersburger Kriegsgerichts geschickt. Nach einem Jahr wurde er in die Kursker Abteilung der Staatsbank als Buchhalterhelfer 3.Grades versetzt. Seit diesem Moment gewann die Finanzkarriere Überhand über der juristischen und bestimmte sein weiteres Leben. 1903, als er bereits Kontrolleurshelfer war, wurde er in die Rybinsker Abteilung der Staatsbank geschickt. Danach folgten die Sewastopoler (1905), Saratower (1908) Abteilungen der Staatsbank, wo W.W.Vogel als Buchhalter tätig war. Seit 1909 versetzte man Werner Wassiljewitsch schon als einen Abteilungsverwalter. In diesem Jahr stand er an der Spitze der Taganroger Filiale, seit 1911 leitete er das Charkower Kantor der Staatsbank, und am 25.Juli 1912 wurde der Hofrat Werner Wassiljewitsch Vogel "durch den Höchsten Befehl im Bürgeramt zum Verwalter der Wjatkaer Abteilung der Staatlichen Bank ernannt."

    Im Platz seines Dienstes kam W.W.Vogel im September 1912 mit seiner Frau Elena Alexandrowna (geb. Lewizkaja) und der Tochter Ludmila, 10 Jahre alt, an. Nach der Ankunft in Wjatka besuchte die Tochter Ludmila das 2.Frauengymnasium. Im Passport, der Elena Alexandrowna 1907 ausgehändigt wurde, war auch sein Sohn Alexander Wernerowitsch vermerkt, geboren 1903. Wahrscheinlich nach 1907 und bis zum Moment ihrer Ankunft in Wjatka 1912 war der Sohn gestorben, weil er später in den Dokumenten beider Eltern nicht aufzufinden war. 1912 laut Formularregister war Werner Wassiljewitsch 42 Jahre alt (Er wurde am 27.November 1869 geboren), er gehörte der evangelisch-lutherischen Konfession an. Seine Frau und Tochter waren orthodoxer Konfession.

    Zum Moment des Postenbeitritts von W.W.Vogel verwirklichte sich die Tätigkeit der Wjatkaer Abteilung auf Grund Des Statuts der Staatlichen Bank, das 1894 bestätigt worden war und als ihr Ziel folgendes bestimmt hatte: "... Erleichterung des Geldumlaufs, Unterstützung des vaterländischen Handels, der Industrie, der Landwirtschaft durch kurzfristige Kredite, und auch Festigung des Geldkreditsystems." Die Wjatkaer Abteilung führte den Geldumlauf auf dem Territorium des Gouvernements Wjatka durch 12 Staatskassenstellen, die ihm "zugeschrieben waren" durch, auf welche Pflichten "der Geldsummenbewegung von einer Staatkassenstelle zur anderen oder zur Staatsbank auferlegt" waren. Außerdem wurden auf die Wjatkaer Abteilung der Staatsbank die Aufsicht über Anstalten kleineren Kredits im Gouvernement auferlegt: Kreditgenossenschaften, Leih- und Spargenossenschaften und Semstwo-Kassen. Der Inspektionskreis der Abteilung schloss ca. 54 Kreditgenossenschaften und ca. 78 Anstalten kleineren Kredits. Die Abteilung führte Aktionen mit Kontos. Unter den Deponenten der Wjatkaer Abteilung der Staatsbank waren: Regierungsbehörden - Wjatkaer Gouvernementsverwaltung, Wjatkaer Kreisgericht, Verwaltung des staatlichen Guts, Wjatkaer Geistliches Konsistorium u.a. Gesellschaftliche Institutionen - Dorfgesellschaften, Verwaltungen u.a. Die Kirchen der Ujesde Wjatka, Glasow, Orlow u.a. Privatpersonen - Kaufleute Dolguschiny, Sonowy, Wachruschewy u.a.

    Der erste Weltkrieg brachte manche Korrekturen in die Tätigkeit der Bankabteilung, die W.W.Vogel leitete. 1914 für die Kriegsperiode gab die Wjatkaer Abteilung der Staatsbank Sonderrechte für Kreditvergabe an Bankkunden, die Staatsaufträge für die Armee erfüllten. Unter ihnen waren grundlegend Besitzer von Lederfabriken, die "Kredite bis zum vollen Ausmaß und sogar über die Norm eines offenen Kredits aufnahmen." Außerdem schlug die Wjatkaer Abteilung hinsichtlich der Wichtigkeit für den Staat einer Konzentration des Goldvorrats in der Staatsbank den Vorständen der Kredit- und Leih- und Spargenossenschaften vor, in ihre Kasse kommende Goldmünze zum Umlauf nicht zu geben, sondern in der Abteilung der Bank "auf dem Wege des Umtausches gegen Kreditbillets abzugeben."

    In die Zeit des Krieges fiel das 5-jährige Jubiläum der Wjatkaer Abteilung der Staatsbank. Der Vorstand mit dem Verwalter W.W.Vogel an der Spitze rechnete das Feiern als nicht rechtzeitig, darum begrenzte sich darauf, dass "... am 19.September 1915 im Raum der Abteilung ein Gottesdienst abgehalten wurde." Der komplizierte Prozess des Geldumlaufs führte zur Gründung an der Wjatkaer Abteilung der Staatsbank einer Ausrechnungsabteilung 1916, dessen Teilnehmer wurden: Die russische für den Außenhandel Bank, Die Sibirische Handelsbank, die Wolshko-Kama-Kommerzbank u.a. Ein halbjähriger Umlauf von Mitteln der Ausrechnungsabteilung ging über 17 Mio. Rbl. hinaus. Also, in vieler Hinsicht eben durch die Tätigkeit des Verwalters und ungeachtet aller Schwierigkeiten stoppte die Wjatkaer Abteilung ihre Aktionen nicht. Noch mehr, am 23.Januar 1916 schickte W.W.Vogel dem Staatsbankverwalter "Entwurf einer Erweiterung des Netzes der Staatsbankorganisationen im Gouvernement Wjatka" zu, in welchem eine allmähliche Einführung des Kreissystems von Bankorganisationen durch die Eröffnung neuer Abteilungen. Dieses Projekt kam aber nicht in Erfüllung.

    Die Revolutionsereignisse überfluteten das ganze Land, lockten die Leben hundert tausender Menschen in einen Wirbel politischer Geschehnisse ein. Es wurden nicht nur gut funktionierte Finanzmechanismen, wie die Staatsbank mit ihren Abteilungen; sondern auch Schicksale hundert tausender Menschen gebrochen. Unter ihnen war auch W.W.Vogel. Durch den Erlass des Gouvernementsexekutivkomitees des Wjatkaer Rates von Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten vom 18.März 1918 wurde er von seinem Posten abgesetzt und übergab seine Verpflichtungen dem Kontrolleur W.A.Fruktow. Der Kommissar der Wjatkaer Bankabteilung Slobin, der die "Akte Vogel" untersucht hatte, berichtete dem Hauptkommissar der Volksbank der RSFSR, dass die Grundlagen des Absetzens des Verwalters von seinem Posten die Anklage des ehemaligen Kommissars der Wjatkaer Bankabteilung Zelischtschew und auch die Agitation von Zelischtschew und des Buchhalterhelfers Schabalin gegen Vogel" gewesen waren. Die Unzufriedenheit der Letzteren wurde durch das Verbot des Verwalters den Bankmitarbeitern hervorgerufen, an einem Streik Anfang Januar 1918 teilzunehmen und auch durch die Absage der Ausgabe einer 6-monatigen Unterstützung "ohne Verordnungen vom Zentrum".

    Die offizielle Anklage wurde durch eine anonyme Denunziation begleitet, worin zur Schuld Vogels eine Reihe falscher Handlungen gestellt worden war: "... - trotz Telegrammen der Volksbank im Januar 1918 führte /er/ Transaktionen mit annullierten Papieren durch; - Manchen Kunden erlaubte er, ihre Wechsle neu zu schreiben ohne Prozente dafür zu nehmen." Im Prüfungsergebnis wurden alle Beschuldigungen als nicht zulänglich anerkannt. Der Kommissar Slobin stellte vor dem Hauptkommissar der Volksbank der RSFSR ein Gesuch für Herstellung Vogels in seinem Posten des Abteilungsverwalters. Er schrieb: "Vogel ist nicht nur ein erfahrener und gewissenhafter Verwalter, er kennt dazu noch ausgezeichnet örtliche Bedingungen, die Situation im Handel und der Industrie und die ganze örtliche Kundschaft, groß und klein."

    Durch die Verordnung des Hauptkomissars der Volksbank vom 30.April 1918 wurde W.W.Vogel in seiner Position hergestellt. In einer Periode von mehr als 20 Jahren des Dienstes an den Abteilungen der Staatsbank war dies der erste Fall, als man Vogel der Dienstübergriffe beschuldigt hatte. Alle bisherigen Jahre seiner Arbeit wurden nur durch Auszeichnungen und Dienstvoransteigen vermerkt. Er arbeitet in einem Land, das seine Verdienste bemerkte. Damit verband er seine Zukunft, weil er 1915 in Wjatka zum Orthodoxen wurde und sich nicht Werner, sondern Walerij zu nennen begann.

    Das Jahr 1917 hat alles geändert. Der Sturm erreichte ihn diesmal nicht, aber als ein kluger Mann verstand Vogel, dass alles sich wiederholen konnte. 1919-20 unternahm er Versuche, nach Lettland zu fahren (ins Livländische Gouvernement, Stadt Riga). Eine Grundlage für die Ausreise nach Lettland konnten nach der Instruktion für Reevakuierung der Flüchtlinge 1920 solche "keine Zweifel erweckenden Dokumente" dienen: Passport, ausgehändigt am vorigen Wohnort; Flüchtlingsbuch, Bescheinigung über Deportierung auf Befehl höherer Gewalten und auch Dokumente, die die Geburt auf dem lettischen Territorium bestätigen (Registereintragungen oder ihre Kopien). In der Registrierungskarte Vogels ist nicht vermerkt, auf Grund von welchem Dokument die Ausreiseerlaubnis gegeben worden ist. Vielleicht waren dies Registereintragungen. Leider weder in der Arbeitsliste Vogels noch im Passport gibt es keine Angaben über seinen Geburtsort. Laut statistischen Angaben über das Gouvernement Livland auf die 60-5r Jahre des 19.Jahrhunderts (Bogel wurde 1869 geboren.) nahmen Deutsche den dritten Platz in der Bevölkerungszahl des Gouvernements ein, hatten 164 evangelisch-lutherische Kirchen und historische Wurzeln, die zum Liwonenorden im 12.-15.Jahrhundert zurückzufinden gewesen waren.

    So ist es wahrscheinlich, dass das Gouvernement Livland die Heimat von W.W.Vogel sein konnte. Trotzdem erwähnt er seine deutschen Wurzeln nirgends. Im Flüchtlingsregister 1920, die für die Fahrt nach Moskau zur Verfügung von Zentroewak /Zentrum für Evakuierung - Dolm./ bestimmt waren, erklärt sich Vogel, schon wieder als Werner und nicht Walerij, einen Letten. Die Mitglieder seiner Familie sind auf die Liste auch als Letten aufgenommen. Die Wjatkaer Gouvernementstscheka teilte am 8.Dezember 1920 dem Gubewak mit, dass "... es keine Hindernisse zur Verschickung Vogels und seiner Familie nach Lettland gibt."

    1921 verlässt Vogel mit der Familie Wjatka mit der Hoffnung, außerhalb Russland zu fahren. Dokumente der späteren Periode zeugen davon, dass Elena Alexandrowna und Ludmila Walerjewna Vogel nach Wjatka zurückkehren mussten, diesmal aber als Verwaltungsverbannte. Sie wurden aus Moskau auf Grund einer "falschen und geschicktengemachten Denunziation verbannt", wie es Ludmila Walerjewna schrieb. Den Vater erwähnt sie nicht. Vielleicht wurde er in Moskau verhaftet. Wjatka als ihren Verbannungsort wählten sie selbständig. Während der Verbannung arbeitete Ludmila Walerjewna zuerst im Lager des "Sojussagotkosh" /Verband für Lederbereitstellung - Übers./, später im Wjatkultpromsojus /ca. Wjatkaer Kultur- und Industrieverband - Übers./ als Ökonom. Für das Jahr 1934 stehen beide Frauen auf der Liste der Wahlrechtentzogenen. Nach dem Erlass des Kirower /der neue Name für Wjatka - Übers./ städtischen Rats vom 17.Juli 1936 wurden Elena Alexandrowna und Ludmila Walerjewna Vogel von der Liste der Rechtentzogenen ausgeschlossen als ihre Frist der Verwaltungsverbannung abgebüßten.

    Das sind letzte Angaben, die man finden konnte in den Dokumenten des Staatsarchivs der Region Kirov. Anfragen an das Archiv des Föderalen Sicherheitsdienstens (FSD) der Region Kirov, die Abteilung für Sonderfonds und Rehabilitierung von Opfern politischer Repressalien des Informationszentrums des Innenministeriums für die Region Kirov, gaben keine positiven Ergebnisse. Es besteht noch die Möglichkeit, sich an das Archiv des FSD in Moskau wenden, wo die Spuren von Werner Wassiljewitsch verschwinden. Wie sich auch sein Schicksal entwickeln konnte, hinterließ er seine Spur auf dem Wjatka-Boden, er ist ein Teil seiner Geschichte.

    Anmerkungen:
    S. den russischen Text dieses Artikels

    Übersetzung. Arkadi Makarov. - Kirov (Russland), 2000.







     die Region Kirov:

     Fläche: 120 800 qkm
     Einwohner: 1.500.000
     39 Bezirke, 18 Städte,
     etwa 5.000 Gemeinden

     Kirov liegt 917 km (Zug) und ca.1050 km (Autobahn)
     östlich von Moskau.

    Der Weg nach Kirov hier



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    02.01.2024


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