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Das Märchen vom Floh und Kakadu
In einem schönen australischen Wald lebt ein großer Kakadu. Er heißt Kak. Der Kakadu hat das sorglose und satte Leben satt. In der letzten Zeit aber erschienen in seinen bunten schönen Federn manche graue Feder. Das Gewissen quält ihn, seine Seele tut ihm weh. Er weiß, dass man auf ihn wartet, schon lange wartet. Er hasst seine alte Flugel, die ihn in die Luft nicht mehr aufheben können. Wie schön konnte er früher fliegen! Wie ein Adler! "Ja, das war eine wunderbare Zeit", - denkt der Papagei traurig.
Der junge erfolgreiche Unternehmer Kak genoss die Sonne am Strand des eigenen Hotels. Es ging ihm sehr gut. Er war voller Kraft und Unternehmungslust. Das Hotel war vollbelegt, alles lief tip-top. Außerdem nahm er heute ein junges Zimmermädchen in Dienst, ein junges attraktives Fräulein Floh, das ihm sofort gefiel. Nach einiger Zeit waren Fräulein Floh und der Papagei einfach untrennbar. Es war ein seltsames aber auch ein sehr schones Paar. Sie waren immer zusammen: im Restaurant, im Meer, am Strand. Oft gingen sie zusammen unter dem Sternehimmel nachts spazieren. Wenn Kak Dienstreise hatte, begleitete ihn immer Fräulein Floh. Als Floh einmal krank war, sorgte der Papagei für seine Geliebte und ließ sie keine Minute allein. Aber alles ging viel zu gut.
Einmal arbeitete Kak bis zum späten Abend in seinem Buro im Hotel. Plötzlich hörte er einen Lärm in der Empfangshalle. Als er hinausging, sah er die zum Ausgang rennenden Hotelgäste. Unter ihnen war auch der Portier. Er sagte Kak, dass in den oberen Etagen des Hotels der Brand tobt. Die ersten Gedanken Kaks waren an Fräulein Floh, das ganz oben ein Zimmer bewohnte. Ohne an sich zu denken, rannte Kak nach oben, treppauf. Aber auf seinem Weg stand eine Feuerwand. Da lief er auf die Straße und flog zum Fenster seiner Geliebten. Aus dem Fenster stieg dichter Rauch auf. Außer Atem flog der Papagei ins Zimmer herein. Der Rauch zersetzte die Augen, verstopfte die Lungen, aber Kak hielt durch. Er suchte Fräulein Floh. Da sah er es neben dem Bett bewusstlos liegen. Der Papagei nahm es vorsichtig mit dem Schnabel und stürzte mit letzten Kräften aus dem Fenster.
Das Leben schien zu Ende zu sein. Das Hotel verbrannte bis zum letzten Stuhl. Die Versicherung reichte für den Lohn des Hotelpersonals. Kak und Fräulein Floh blieben ohne Geld, ohne Unterkunft und mussten entscheiden, was weiter. Kak beschloss, alles von Anfang an zu beginnen, aber in einem anderen Land, in Australien, wo sein alter Freund lebte und ihm zu helfen versprach. Fräulein Floh aber war nach dem Brand noch sehr schwach und wollte sich bei seinen Verwandten in einem malerischen Waldsumpf einige Zeit erholen.
"Ich komme unbedingt zuruck!", rief der Papagei zum Abschied, schwang mit den Flügeln und flog weg. Er flog weg, um nie wieder zuruckzukommen.
Die Jahre vergingen. Der Papagei wurde wieder reich und geachtet. Mehrere Male wollte er zum Fräulein Floh fliegen, aber bald hatte er viel zu tun, bald kam etwas dazwischen, bald riet ihm sein Freund ab.
Es vergingen Tage, Monate, Jahre. Allmählich vergaß Kak seine Geliebte. Die Jugend wurde zur Vergangeheit. Kak wurde alt.
In einem großen abgelegenen Sumpf sitzt Fräulein Floh mit großen traurigen Augen. Es geht nicht aus, es wartet. Es isst und trinkt nicht, es wartet. Es bemerkt keine Tage, keine Nächte und keine Jahreszeiten. Es wartet. Es versteht, dass sein Leben bald zu Ende ist, aber es wartet. Es wartet und hofft, Kak wieder zu sehen. Fräulein Floh weiß nicht mehr, wer Kak ist und warum es auf ihn wartet, aber es weiß genau, dass er zu ihm zuruckkehrt. Und es wird warten bis zum letzten Atemzug.
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Hallo! Wir sind Studenten der Gruppe M-3 des Kirover technologischen Colleges. Wir studieren Hotelwesen und sind im vierten Studienjahr. Einmal hat uns unsere Deutschlehrerin das Gedicht von Walter Höllerer vorgelesen. Das Gedicht hat uns so gefallen, dass wir uns entschlossen haben, nach seinem Motiv ein Märchen zu schreiben. Das Resultat unserer Arbeit ist vor euch.
Und hier ist das Gedicht:
Das Lied vom Floh und Kakadu
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Irgendwo
im Walde Mu
fliegt ein
Riesen-Kakadu.
Irgendwo
im Sumpfe Mo
Sitzt ein
Titikaka-Floh.
Hat der Floh
etwas Glück
Kommt der Kak
zu ihm zurück.
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Russischer Text
Lena Kusnezowa, Nadja Sawtrak, Swetlana Popowa, Ewgenij Denissov, Katja Bobrowa
Deutsche Fassung
Irina Kuljowa, Julia Solowjowa
Bilder
Alexander Sessjukov, Jurij Krinizyn
*) Walter Höllerer:
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